Regenwasser, das auf bebauten bzw. versiegelten Grundstücksflächen niedergeht, wird regelmäßig über sog. Straßenabläufe („Gullys“) in die öffentliche Kanalisation geleitet und über diese entsorgt. Hierfür können die Gemeinden Gebühren erheben. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 26. August 2015 (Az. 9 A 1434/14) nunmehr eindeutige Vorgaben für den Maßstab aufgestellt, nach dem solche Niederschlagswassergebühren, die bisweilen auch Regenwassergebühren genannt werden, erhoben werden dürfen.
Da die Menge des Regenwassers, das über die öffentliche Kanalisation abgeleitet wird, typischerweise von der Größe der bebauten bzw. versiegelten Grundstücksfläche abhängt, richtet sich die Höhe der von dem betreffenden Grundstückseigentümer zu entrichtenden Niederschlagswassergebühren nach der Größe dieser Fläche. Dabei wird üblicherweise – und gerade auch von den Gemeinden im Rheinland – auf den Quadratmeter als Berechnungseinheit zurückgegriffen. Es wird der Gebührenerhebung also ein Gebührensatz pro Quadratmeter bebauter bzw. versiegelter Grundstücksfläche zugrunde gelegt. Im Ortsrecht einzelner Gemeinden gilt allerdings ein gröberer Maßstab. Eines der wenigen Beispiel im Rheinland hierfür ist die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 3 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung der Gemeinde Uedem i. d. F. der zweiten Änderungssatzung vom 19. Dezember 2012, die einen Gebührenmaßstab „je angefangene 25 m²“ festlegt.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat nun klargestellt, dass es einen solchen Maßstab für unzulässig erachtet. Denn er führe dazu, dass trotz eines an sich gleichen Gebührensatzes die einzelnen Grundstückseigentümer mit unterschiedlichen Gebühren pro Quadratmeter versiegelter Fläche belastet würden (hierzu und zum Folgenden Rn. 5). Dabei weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass sich dieser Effekt bei Ein- und Zweifamilienhäusern stärker auswirke als etwa bei gewerblich genutzten oder kommunalen Grundstücken (bzw. Straßenflächen).
Jedenfalls sofern die kanalwirksamen – d. h. bebauten bzw. versiegelten – Grundstücksflächen nicht nur grob abgeschätzt, sondern konkret ermittelt werden (Rn. 8), könne die sich hieraus ergebende Ungleichbehandlung insbesondere auch nicht unter Hinweis auf das Ziel der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt werden (Rn. 6). Vielmehr mache der Gebührenmaßstab „pro 25 m2“ sogar einen zusätzlichen Rechenschritt erforderlich, dessen es bei quadratmetergenauer Berechnung nicht bedürfte (Rn. 8). Und auch die Verwaltungspraktikabilität könne die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Zwar könne es bei Änderungen der maßgeblichen Flächen auf dem Grundstück zu einem nachträglichen Ermittlungs- und sonstigen Verwaltungsaufwand kommen. Dieser könne jedoch dadurch in Grenzen gehalten werden, dass der Grundstückseigentümer zur Anzeige entsprechender Änderungen verpflichtet wird (Rn. 11). Dieses Argument des Gerichts könnte evtl. noch durch die Erwägung ergänzt werden, dass auch bei dem gröberen Maßstab „pro 25 m2“ natürlich nachträgliche Änderungen der bebauten bzw. versiegelten Grundstücksflächen von gebührenrechtlicher Relevanz sein können, da sie Anlass für die Ermittlung wären, ob nun weitere 25 Quadratmeter angefangen sind.
Der nun ergangene Beschluss gibt zwar noch keine abschließende rechtliche Bewertung des für Nordrhein-Westfalen zuständigen Oberverwaltungsgerichts wider, sondern lediglich „ernstliche Zweifel“, auf deren Grundlage es die Berufung gegen ein abweichendes Urteil in erster Instanz zugelassen hat. Angesichts der deutlich und vorbehaltlos formulierten Aussagen in dem Beschluss aus dem August 2015 dürfte aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein, dass das Gericht seine Einschätzung auch in einem abschließenden Berufungsurteil bestätigen wird. Dafür spricht auch, dass sie auf einer Linie mit anderen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts liegt, in denen es sich gegen eine zu großzügige Pauschalierung und die damit einhergehenden Ungleichbehandlungen ausgesprochen hat (vgl. etwa den „Rheinisches Ortsrecht“-Beitrag „Rechtswidrige Satzungsregelungen zur pauschalen Kostenerstattung bei Feuerwehreinsätzen in vielen Gemeinden (u. a. Leverkusen, Hürth und Siegburg)“ vom 20. März 2014).
Die vorliegende Entscheidung befasst sich darüber hinaus allerdings auch nur mit einem recht groben Maßstab (pro 25m2). Da das Gericht in seiner rechtlichen Begründung auf die Gebühren pro Quadratmeter abstellt und auch den zusätzlichen Umrechnungsaufwand bei einem hiervon abweichenden Maßstab kritisiert, spricht aber einiges dafür, dass auch enger gefasste Gebührensprünge – etwa „pro 10 m2“ – rechtlich problematisch sein dürften. Die Gemeinden im Rheinland (jedenfalls in dessen nordrhein-westfälischem Teil) sind daher wohl gut beraten, ihr Ortsrecht zur Erhebung von Niederschlagswassergebühren auf einen quadratmetergenauen Maßstab umzustellen, sofern das in Einzelfällen noch nicht der örtlichen Rechtslage entsprechen sollte. Von solchen ungenauen Gebührenmaßstäben betroffene Grundstückseigentümer sollten demgegenüber prüfen, ob ein Vorgehen gegen hierauf beruhende Gebührenbescheide sinnvoll sein könnte.