Gemäß § 23 Abs. 1 des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) können die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen für die Inanspruchnahme von Angeboten in Kindertageseinrichtungen Teilnahme- oder Kostenbeiträge erheben, die sog. „Elternbeiträge“ (siehe hierzu auch den Beitrag vom 28. April 2014). Macht eine Gemeinde von dieser Möglichkeit Gebrauch, hat sie nach § 23 Abs. 5 S. 1 KiBiZ nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern sowie die Betreuungszeit zu berücksichtigen. Sie ist vielmehr auch verpflichtet, „eine soziale Staffelung vorzusehen“. Gemeint ist damit, dass unterschiedliche Beitragsstufen nach Maßgabe sozialer Gesichtspunkte festzulegen sind. Das ermöglicht es beispielsweise, wirtschaftlich leistungsfähigere Eltern zu höheren Elternbeiträgen heranzuziehen als insoweit weniger leistungsfähige Eltern. Diese sehr begrüßenswerte Zielsetzung des Gesetzgebers haben allerdings viele Gemeinden (auch) im Rheinland (und Umgebung) in einer Form umgesetzt, bei der Besserverdienende vergleichsweise geringer belastet werden als Eltern mit einem durchschnittlichen Einkommen.
Diese Wirkung soll im Folgenden am Beispiel der Satzung über die Erhebung von Elternbeiträgen in der Kindertagesbetreuung der Stadt Brühl – Beitragssatzung Kindertagesbetreuung – vom 22. April 2013 verdeutlicht werden. Diese sieht für die Betreuung eines Kindes im Alter von zwei bis sechs Jahren im Umfang von 45 Wochenstunden in einer Kindertageseinrichtung die folgende Staffelung vor:1
Einkommen (jährlich) | Einkommen (monatlich) | Monatsbeitrag (absolut) | Monatsbeitrag (relativ) |
bis 12.500,00 Euro (Mitte: 6.250,00 Euro) |
bis 1.041,67 Euro (Mitte: 520,83 Euro) |
0,00 Euro | 0 % |
bis 25.000,00 Euro (Mitte: 18.750,00 Euro) |
bis 2.083,33 Euro (Mitte: 1.562,50 Euro) |
50,00 Euro | 4,80 % – 2,40 % (Mitte: 3,20 %) |
bis 37.500,00 Euro (Mitte: 31.250,00 Euro) |
bis 3.125,00 Euro (Mitte: 2.604,17 Euro) |
84,00 Euro | 4,03 % – 2,69 % (Mitte: 3,23 %) |
bis 50.000,00 Euro (Mitte: 43.750,00 Euro) |
bis 4.166,67 Euro (Mitte: 3.645,84 Euro) |
138,00 Euro | 4,42 % – 3,31 % (Mitte: 3,79 %) |
bis 62.500,00 Euro (Mitte: 56.250,00 Euro) |
bis 5.208,33 Euro (Mitte: 4.687,50 Euro) |
213,00 Euro | 5,11 % – 4,09 % (Mitte: 4,54 %) |
über 62.500 Euro | über 5.208,33 Euro | 281,00 Euro | 5,40 % > |
Ein zunehmendes Einkommen hat somit unmittelbar einen absolut steigenden monatlichen Beitrag von 0,00 Euro bis maximal 281,00 Euro zur Folge. Neben diese absolute Staffelung tritt aber auch noch eine relative Staffelung: Betrachtet man den jeweiligen Mittelwert der einzelnen Einkommensstufen, steigt der Anteil, der aus dem monatlichen Bruttoeinkommen als Elternbeitrag zu bezahlen ist, von 3,2 % in der Eingangsstufe eines Jahreseinkommens zwischen 12.500,00 und 25.000,00 Euro auf 5,4 % am Anfang der höchsten Einkommensstufe über 62.500,00 Euro. Bezieher höherer Einkommen werden somit grundsätzlich nicht nur absolut, sondern auch relativ stärker zur Finanzierung der Tageseinrichtungen herangezogen als Bezieher niedrigerer Einkommen. Der Effekt ähnelt dem progressiven Steuersatz. In ihm kommt damit grundsätzlich eine sozial gerechtfertigte Berücksichtigung der höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zum Ausdruck.
Im Gegensatz zu der auf Grundlage des progressiven Steuersatzes zu entrichtenden Einkommensteuer steigt der Elternbeitrag allerdings nicht mehr an, sobald die höchste Einkommensstufe – in Brühl also ein Jahreseinkommen von 62.500,00 Euro – erreicht ist. Hieraus ergibt sich, dass die relative Belastung der Haushalte, die in diese Einkommensstufe fallen, mit zunehmendem Einkommen nicht etwa steigt, sondern sinkt. Legt man z. B. ein Einkommen zugrunde, das doppelt so hoch ist wie die Schwelle zur höchsten Einkommensstufe, so halbiert sich die relative Belastung. Ein Haushalt, der über ein Bruttojahreseinkommen in Höhe von 62.500,00 Euro * 2 = 125.000,00 Euro verfügt, müsste also nur noch 2,7 % seines monatlichen Bruttoeinkommens als Elternbeitrag aufwenden. Er würde im Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit damit in etwa so stark herangezogen wie ein Haushalt mit einem monatlichen Bruttojahreseinkommen von rund 22.000,00 Euro. Beachtlich wird dieser degressive Effekt, wenn er nicht lediglich zu einer relativen Entlastung einiger weniger Spitzenverdiener führt, sondern wenn er die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in größerem Umfang in Frage stellt.
Um die tatsächliche Bedeutung der sinkenden relativen Belastung jenseits der Schwelle zur höchsten Einkommensstufe beurteilen zu können, muss man einen Blick auf die realen Haushaltseinkommen werfen. Dabei soll hier zur Bestimmung eines durchschnittlichen Familieneinkommens auf die Angaben des Statistischen Bundesamtes zu den Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte zurückgegriffen werden.2 Danach betrug im Jahr 2011 das Haushaltsbruttoeinkommen eines Haushalts mit drei Personen3 5.649,00 Euro.4 Zieht man die durchschnittlich 171 Euro Kindergeld ab, die bei der Berechnung der Elternbeiträge regelmäßig außer Betracht bleiben,5 verbleibt (bei vereinfachender Betrachtung6) ein monatliches Bruttoeinkommen von 5.478,00 Euro.7
Familienhaushalte mit einem solchen Durchschnittseinkommen unterfallen nach der Beitragssatzung Kindertagesbetreuung der Stadt Brühl bereits der höchsten Einkommensstufe, wenn auch nur knapp. Durchschnittsverdiener werden also mit einem Elternbeitrag in Höhe von 281,00 Euro belastet. Das entspricht 5,13 % des monatlichen Brutoeinkommens. Haushalte, die das doppelte Einkommen erzielen, werden mit dem selben Betrag belastet. Dieser Betrag entspricht aber lediglich 2,56 % ihres monatlichen Bruttoeinkommens. Diese wohlhabenden Haushalte werden somit relativ genau so stark bzw. wenig belastet wie Haushalte in der niedrigsten Einkommensstufe oberhalb der beitragsfreien Eingangsstufe. Mag die Zahl der Familienhaushalte, die über das Doppelte des Durchschnittseinkommens verfügen, zwar überschaubar sein,8 muss man sich doch vor Augen halten, dass dieser degressive Effekt zugunsten aller Haushalte wirkt, deren Einkommen über dem Durchschnitt liegt. Während die maximale absolute und relative Belastung die Familienhaushalte mit durchschnittlichem Einkommen trifft, werden somit die Besser- und Höchstverdienenden relativ entlastet und mit Haushalten gleichgestellt, die über ein geringes Einkommen verfügen.
Bereits bei Betrachtung dieser Zusammenhänge drängt sich nicht unmittelbar auf, dass diese tatsächliche Wirkung der „sozialen Staffelung“ sonderlich gerecht oder sozial wäre. Im Gegenteil: Durch die Ausgestaltung der Staffelung wird der durchschnittliche Familienhaushalt maximal belastet, und das in einer relevanten Höhe: Betrachtet man statt des Bruttoeinkommens bzw. der Summe der positiven Einkünfte das Haushaltsnettoeinkommen, so fällt dieses für einen Haushalt mit drei Personen um über 1.000,00 Euro niedriger aus als das Bruttoeinkommen. Das nach Abzug von Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Sozialversicherungsbeiträgen tatsächlich verbleibende (Durchschnitts-) Familieneinkommen beträgt also einschließlich des (beim Bruttoeinkommen nicht berücksichtigen) Kindergelds9 etwas mehr als 4.200,00 Euro. Hierauf bezogen bedeutet ein Elternbeitrag von 281,00 Euro eine Belastung von fast 6,7 %. Jeder 16. Euro, über den ein Familienhaushalt mit durchschnittlichem Einkommen verfügt, fließt somit in den Elternbeitrag, und das natürlich noch vor Abzug der Kosten für Miete, Strom, Wasser usw. Für Besserverdiener10 fällt der Elternbeitrag dagegen mit zunehmendem Einkommen immer weniger ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund stellt sich unmittelbar die Gerechtigkeitsfrage, wenn
- das durchschnittliche Familieneinkommen mit einem der (absolut) höchsten Elternbeiträge belastet wird,
- die relative Belastung des durchschnittlichen Familieneinkommens ein signifikantes Niveau erreicht, von dem ohne weiteres bei einem Anteil ab 5 % des monatlichen Nettoeinkommes auszugehen ist, was etwa 4 % des monatlichen Bruttoeinkommens entspricht, und
- die soziale Staffelung grundsätzlich eine spürbare Zunahme der relativen Belastung mit steigendem Bruttoeinkommen bis zum durchschnittlichen Einkommen vorsieht, die dann aber
- bei einem Familieneinkommen oberhalb des Durchschnittseinkommens wieder abnimmt.
Diese Umstände treffen natürlich nicht nur bei der Beitragssatzung Kindertagesbetreuung der Stadt Brühl zusammen, sondern auch bei anderen Elternbeitragssatzungen in den Gemeinden des Rheinlands (und Umgebung). Zu nennen wären u. a.
Gemeinde | Höchstsatz (absolut) in Euro | Satz für Durchschnittseinkommen in Euro11 | Zunahme der relativen Belastung12 | relative Belastung durchschnittl. Einkommen | relative Belastung Einkommen Besserverdienender13 |
Hürth | 288,00 | 236,00 (3.) | 2,43 % => 3,93 % | 4,31 % | 2,63 % (- 39 %) |
Köln | 369,16 | 256,36 (3.) | 1,87 % => 4,15 % | 4,68 % | 3,37 % (- 28 %) |
Meckenheim | 291,00 | 252,00 (2.) | 2,35 % => 4,38 % | 4,60 % | 2,66 % (- 42 %) |
Rösrath | 230,00 | 230,00 (1.) | 3,09 %14 => 3,93 % | 4,20 % | 2,10 % (- 50 %) |
Siegburg | 280,00 | 280,00 (1.) | 2,13 % => 4,07 % | 5,11 % | 2,56 % (- 50 %) |
In all diesen Gemeinden werden Familienhaushalte mit durchschnittlichem Einkommen durch die Ausgestaltung der sozialen Staffelung sowohl in absoluter als auch in relativer Höhe in höchstmöglichem Umfang oder zumindest beinahe maximal belastet.15 Demgegenüber werden Haushalte mit überdurchschnittlichem Einkommen relativ entlastet und insoweit Familienhaushalten mit geringem Einkommen gleichgestellt. Während Durchschnittsverdiener überproportional zur Finanzierung der Kindertagespflege beitragen, leisten Besserverdienende hierzu somit nur einen unterproportionalen Beitrag. Ob aus diesem evidenten sozialpolitischen Ungleichgewicht aber auch die Rechtswidrigkeit einer solchen „sozialen Staffelung“ folgt, ist ungewiss. Elternbeitragssatzungen waren schon oft Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Überprüfung und sind dabei praktisch durchweg bestätigt worden. Insbesondere hat auch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass Kindergartengebühren grundsätzlich nach dem Familieneinkommen gestaffelt werden können.16
Allerdings haben sich die Gerichte bislang, soweit ersichtlich, nicht mit der hier dargestellten Frage befasst, ob die relative Entlastung einkommensstarker Familienhaushalte im Vergleich zu Haushalten mit einem durchschnittlichen Familieneinkommen möglicherweise gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch in dem Rechtsstreit, über den das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, ging es nicht um diese potentielle Ungleichbehandlung. Im Gegenteil hatten die dortigen Beschwerdeführer gerügt, dass sie stärker belastet würden als Familienhaushalte mit geringerem Einkommen.17 Dementsprechend hatte das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot auch mit dem Argument verneint, dass „es sachliche Gründe [gibt], die die Benachteiligung der Benutzer mit höherem Einkommen rechtfertigen“.18
Stattdessen hat sich das Bundesverfassungsgericht in einem anderen Sachzusammenhang erst unlängst mit den Wirkungen einer degressiven Belastung unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten auseinandergesetzt. Mit Beschluss vom 15. Januar 2014 (Az. 1 BvR 1656/09) hat das Gericht den degressiven Tarif einer Zweitwohnungsteuersatzung wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erklärt. Wenn weniger leistungsfähige Steuerschuldner mit einem höheren Steuersatz besteuert werden als wirtschaftlich leistungsfähigere Steuerschuldner, liege eine Ungleichbehandlung vor, die der sachlichen Rechtfertigung bedürfe (Rn. 59). Ein degressiver Verlauf des Steuertarifs lasse sich auch bei einer Stufenbildung nicht durch Aspekte der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen (Rn. 76). Bemerkenswert ist hierbei, dass das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Ungleichbehandlung u. a. ausdrücklich die Degression innerhalb der obersten Einkommensstufe ins Auge gefasst hat, bei der keine Obergrenze vorgesehen ist (Rn. 78). Dem entspricht die hiesige Konstellation, bei der es nach Erreichen der höchsten Beitragsstufe auch bei den Elternbeitragssatzungen zu einer deutlichen Degression zugunsten besserverdienender Haushalte kommt. Die Erzielung höherer Einnahmen (Rn. 79) und die – grundsätzlich als solche zulässigen – Lenkungszwecke (Rn. 88 ff.) konnten nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die degressive Ausgestaltung der Zweitwohnsteuer ebenfalls nicht rechtfertigen.
Diese Entscheidung ist sicherlich nicht ohne weiteres auf Elternbeitragssatzungen übertragbar. Denn anders als eine Zweitwohnungssteuer ist ein Elternbeitrag eine sozialrechtliche Abgabe eigener Art19 und keine Steuer20. Er unterliegt daher nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip, auf das sich das Bundesverfassungsgericht maßgeblich gestützt hatte21 und dem zufolge jeder Bürger nach Maßgabe seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Steuern zu belasten ist.22 Damit ist eine Übertragung der im Steuerrecht entwickelten Grundsätze auf die Festlegung und Erhebung von Elternbeiträgen grundsätzlich nicht möglich.23
Allerdings wird das steuerrechtliche Gebot der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet.24 Diesem müssen auch Elternbeiträge genügen.25 Die Anforderungen, die der Satzungsgeber insoweit zu beachten hat, basieren somit auf denselben Grundsätzen wie das steuerrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip. Hinzu kommt für das nordrhein-westfälische Landesrecht ein weiterer bedeutsamer Gesichtspunkt: § 23 Abs. 5 S. 1 KiBiZ schreibt – anders als etwa die bundesrechtliche Rahmenregelung in § 90 Abs. 1 SGB VIII – die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei der Erhebung von Elternbeiträgen ausdrücklich vor.26 Die allgemeinen Anforderungen, die sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, mögen sich für die Festlegung von Elternbeiträgen somit zwar nicht vollständig zu dem spezifisch steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip verdichten. Sie kommen ihm jedenfalls durch diese landesrechtliche Vorgabe aber zumindest nahe.27
Damit erscheint eine Ausgestaltung von Elternbeiträgen, die zu den hier geschilderten degressiven Effekten führt, nicht nur sozialpolitisch fragwürdig, sondern auch rechtlich angreifbar. Es handelt sich um eine Ungleichbehandlung zugunsten besserverdienender Familienhaushalte und zulasten von Haushalten mit durchschnittlichem Einkommen. Insoweit hat es auch die Rechtsprechung bereits als dem „Gebot der Beitragsgerechtigkeit“ entsprechend bezeichnet, wenn ein Satzungsgeber beschließt, „im oberen (Einkommens-) Bereich der Beitragstabelle zwei weitere Einkommensstufen einzuführen, weil sich der Anteil der Beitragsschuldner, die in die vormals höchste Stufe fallen, aufgrund von Inflation und Einkommenserhöhungen deutlich vergrößert hat“.28 Fällt ein relevanter Anteil der Beitragsschuldner – wie in den hier betrachteten Fällen – in die höchste, nach oben nicht begrenzte Einkommensstufe, kann der Verzicht auf eine Fortschreibung der Einkommensstaffelung dementsprechend als Verstoß gegen das Gebot der Beitragsgerechtigkeit gewertet werden.29 Dem entspricht es auch, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „der Wert der durch die Betreuung der Kinder erbrachten Leistung in gewissem Sinne mit Blick auf die dadurch auch vermittelte Möglichkeit der weiteren Einkommenserzielung bei abstrakter, typisierender Betrachtung für einkommensstarke Eltern höher ist als für einkommensschwache“.30 Dieser höhere Wert der Kinderbetreuung für Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen spiegelt sich in den hier relevanten Fällen jedenfalls nicht in einem nachvollziehbaren Verhältnis, z. T. aber sogar auch nicht einmal in der absoluten Höhe der Elternbeiträge wider.
Gründe der Verwaltungsvereinfachung, die für die Bemessung von Elternbeiträgen besonders bedeutsam sind,31 können zwar eine Stufenbildung und auch eine gewisse relative Ungleichbehandlung der Beitragsschuldner rechtfertigen.32 Sie können aber keine Ausgestaltung der Stufen rechtfertigen, die zu einer grob gleichheitswidrigen Degression führt.33 Auch die grundsätzlich bestehende Befugnis des Satzungsgebers zum Erlass generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen kann den degressiven Effekt nicht rechtfertigen, der sich durch die Ausgestaltung der sozialen Staffelung in den hier behandelten Fällen ergibt. Denn solche Regelungen müssen von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen.34 Das ist aber nicht mehr der Fall, wenn nicht nur einzelne Beitragspflichtige,35 sondern große Teile aller Familienhaushalte mit überdurchschnittlichem Einkommen von der ansonsten vorgesehenen progressiven Belastung ausgenommen und stattdessen degressiv entlastet werden.
Im Ansatz ließe sich zwar evtl. der Gedanke der Aufwands- und Nutzenproportionalität als Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung durch einen degressiven Elternbeitragssatz für Besserverdienende heranziehen.36 Denn bei der Bereitstellung der Kindertageseinrichtungen handelt es sich um eine staatliche Leistung, die einem bestimmten kostenträchtigen Verhalten des Steuerschuldners zurechenbar ist.37 Dagegen dürfte jedoch bereits der Umstand sprechen, dass verbreitet und vor allem in den hier näher betrachteten Fällen der Elternbeitragssatz zunächst progressiv ausgestaltet ist, also mit zunehmendem Einkommen ansteigt. Hat sich der Satzungsgeber für eine solche sozialpolitisch motivierte Besserstellung einkommensschwächerer Haushalte entschieden, hat er selbst die Anknüpfung an die Kosten der staatlichen Leistungen gelockert. Dann braucht er aber auch einen sachlichen Gund, der es rechtfertigen könnte, diese selbst gewählte Entkoppelung von der tatsächlichen Kostenverursachung ab einer bestimmten Einkommensgrenze wieder rückgängig zu machen. Ein solcher sachlicher Grund ist aber gerade nicht ersichtlich.
Vielmehr verzichten die betreffenden Gemeinden durch die relative Entlastung besserverdienender Haushalte auf Mehreinnahmen, die dadurch zu erzielen wären, dass diese (zumindest) im selben (relativen) Umfang zur Finanzierung der Kindertageseinrichtungen herangezogen werden wie Familienhaushalte mit durchschnittlichem Einkommen. Ein solcher Einnahmenverzicht zugunsten Besserverdienender steht potentiell in einem Spannungsfeld zu § 77 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung (GO) NRW, wonach die Gemeinden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihnen erbrachten Leistungen beschaffen müssen. Und selbst wenn man der Auffassung ist, dass der Gesamtbeitrag, der durch Elternbeiträge zur Finanzierung der Kindertageseinrichtungen aufgebracht wird, in diesem Sinne das vertretbare und gebotene Maß erreicht,38 würde eine stärkere Beteiligung besserverdienender Haushalte doch jedenfalls Spielräume zu einer Entlastung von Familienhaushalten mit geringem oder durchschnittlichem Einkommen eröffnen. Das würde diesen zugleich die Inanspruchnahme einer Kindertageseinrichtung erleichtern und so die mit der Bereitstellung solcher Einrichtungen verfolgten politischen Ziele (frühzeitige Bereitstellung von Bildung und Erziehung, Ermöglichung eigener Erwerbstätigkeit beider Elternteile) gerade im Hinblick auf solche Familien zusätzlich fördern.
Es spricht somit auch rechtlich einiges dafür, dass zumindest die oben genannten Gemeinden, in denen die geschilderte Besserstellung besserverdienener Haushalte besonders deutlich ausgeprägt ist, ihre Elternbeitragssatzungen entsprechend anpassen. Aber auch andere Gemeinden im Rheinland (und Umgebung) sollten ihre Satzungen darauf überprüfen, ob sie sozial hinreichend ausgewogen sind oder ob sie gerade Besserverdiener relativ entlasten und damit den Gemeindehaushalt oder Familien mit geringerem Einkommen ohne Not belasten.
Nachtrag 22. Mai 2014: Aufgrund entsprechender Rückmeldungen ist klarzustellen, dass die Einkommensberechnungen in dem Beitrag auf Durchschnittswerten beruhen und nicht auf dem Median, der verbreitet – aber auch nicht durchgängig – als statistisch aussagekräftigerer Indikator verstanden wird. Auf den Durchschnittswert wurde hier dennoch zurückgegriffen, weil insoweit belastbare(re)s Datenmaterial vorlag und die Unterschiede in der realen Einkommensverteilung der hier betrachteten Gruppen nicht so groß sein dürften, dass es – wie in manchen Gedankenexperimenten – zu erheblichen Verzerrungen kommen würde.