Die Satzung für die Friedhöfe der Stadt Bergisch Gladbach (lokales Archiv) sieht in der Fassung der VI. Nachtragssatzung aus dem Jahr 2013 in § 22 Abs. 8 vor, dass nur „Grabaufbauten errichtet werden [sollen], die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden“. Bei der „ILO-Konvention 182“ handelt es sich um das Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation.
Die Regelung in der Friedhofssatzung von Bergisch Gladbach soll dem Umstand Rechnung tragen, dass offensichtlich die Produktion vieler Grabsteine, die in Deutschland verkauft werden, auf Kinderarbeit beruht.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings mit Urteil vom 16. Oktober 2013 (Az. 8 CN 1.12) entschieden, dass die Bestimmung in einer Satzung, der zufolge auf dem örtlichen Friedhof nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden, das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot der Klarheit und Bestimmtheit verletzt.
Die Regelung überlasse der Friedhofsverwaltung die Beurteilung, ob die von den Steinmetzen beigebrachten Nachweise den satzungsmäßigen Anforderungen genügen. Dies könnte nach der Einschätzung des Gerichts den Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit nur gerecht werden, wenn für den Normbetroffenen unschwer erkennbar wäre, welcher Nachweis genügen würde (Rn. 22). Bislang gebe es allerdings noch keine verlässlichen Zertifizierungen und Gütesiegel unabhängiger Organisationen, so dass mangels valider Nachweismöglichkeiten für die betroffenen Steinmetzbetriebe nicht erkennbar sei, welche Nachweise sie beibringen müssen. Es müsste daher festgelegt werden, welcher Art der geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend angesehen werden.
Neben dieser Rüge eines Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze stellte das Bundesverwaltungsgericht außerdem darauf ab, dass die Steinmetze durch die Satzungsbestimmung mit dem Aufwand der Nachweisbeschaffung belastet werden. Hierbei handele es sich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (Rn. 24), der einer hinreichend bestimmten Grundlage in einem formellen Gesetz bedarf (Rn. 26 ff.). Eine gesetzliche Grundlage sei vor allem mit Blick auf das erforderliche Nachweissystem notwendig, das der Gesetzgeber wegen seiner ortsübergreifenden Bedeutung für die Ausübung des Steinmetzberufs und unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit jedenfalls in seinen Grundzügen selbst regeln müsse (Rn. 29). Das Bundesverwaltungsgericht hat den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Steinmetzbetriebe überdies für unverhältnismäßig erklärt, solange nicht klar bestimmt ist, welcher Art der geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend angesehen werden (Rn. 33).
§ 22 Abs. 8 der Friedhofssatzung von Bergisch Gladbach unterscheidet sich zwar in einem Punkt von der Satzungsregelung, über die das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden hatte. Während im dortigen Fall der Nachweis als zwingende Voraussetzung für das Aufstellen von Grabmalen vorgesehen war, formuliert die Friedhofssatzung von Bergisch Gladbach insoweit abgeschwächter, dass nur solche Grabaufbauten errichtet werden „sollen“, bei denen dieser Nachweis gelingt. Üblicherweise sieht eine sog. „Soll“-Vorschrift aber eine grundsätzliche Bindung vor, von der nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände abgewichen werden kann. Legt man dieses Verständnis zugrunde, dann dürfte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts uneingeschränkt auf § 22 Abs. 8 der Friedhofssatzung von Bergisch Gladbach übertragbar sein. Die Vorschrift wäre damit schon mangels hinreichender Normbestimmtheit und -klarheit rechtswidrig. Auf die Frage, ob § 4 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes (BestG) NRW in seiner derzeit maßgeblichen Fassung aus dem Jahr 2003 eine hinreichende formelle Grundlage für eine solche Satzungsregelung wäre, kommt es daher gar nicht mehr an.
Aber auch diese Frage wäre wohl schon deshalb zu verneinen, weil das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich gefordert hat, dass der Gesetzgeber auch das Nachweissystem jedenfalls in seinen Grundzügen selbst regeln muss. Dem genügt die geltende Ermächtigung nicht, der zufolge die „Friedhofsträger … durch Satzung Art, Umfang und Zeitraum der Nutzung und Gestaltung ihres Friedhofs und dessen Einrichtungen“ regeln. Damit dürfte es auch ausscheiden, in dem Fehlen valider Nachweismöglichkeiten einen außergewöhnlichen Umstand zu sehen, der bis auf weiteres ein Abweichen von der „Soll“-Regelung in § 22 Abs. 8 der Friedhofssatzung von Bergisch Gladbach erlaubt. Denn auch in diesem Fall würde es an der formellen Regelung der Grundzüge des Nachweissystems fehlen, die das Bundesverwaltungsgericht eingefordert hat.
Dieses Problem würde im Übrigen auch nicht durch den vorliegenden Entwurf der nordrhein-westfälischen Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des BestG NRW gelöst (LT-Drs. 16/2723). Danach soll die formelle Satzungsermächtigung in § 4 Abs. 1 des Gesetzes zwar durch folgenden Satz ergänzt werden:
„Die Friedhofsträger können in ihrer Satzung festlegen, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen aufgestellt werden dürfen, die nachweislich ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit hergestellt worden sind.“
Die Entwurfsbegründung geht davon aus, dass sich diese Ermächtigung bereits aus der bisherigen Gesetzesfassung ergab, die konkrete Satzungsermächtigung aber der „Vermeidung von Unsicherheiten“ diene.2 Auch diese explizite Klarstellung bleibt jedoch hinter den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zurück, da auch sie sich nicht einmal ansatzweise zu der Frage verhält, welcher Art der geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend anzusehen sind.
Angesichts des uneingeschränkt unterstützungswürdigen Ziels, einen wichtigen Beitrag gegen Kinderarbeit zu leisten, ist somit der nordrhein-westfälische Gesetzgeber gefordert. Die bisherige Haltung der Landesregierung, der zufolge die jeweiligen Friedhofsträger selbst entscheiden sollten, was als zulässiger Nachweis angesehen werden kann,3 ist mit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls offensichtlich unvereinbar. Solange diese Haltung nicht revidiert und die Gesetzesnovelle entsprechend modifiziert wird, dürfte es den Gemeinden in Nordrhein-Westfalen schlichtweg nicht möglich sein, eine Nachweispflicht für kinderarbeitsfreie Grabmale rechtskonform in ihren Friedhofssatzungen zu implementieren. Entsprechende Anforderungen dürften daher bis auf weiteres einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung nicht standhalten. Das sollte aber die Steinmetzbetriebe wie auch die Nachfrager nicht davon abhalten, freiwilligen Zertifikaten einen hohen Stellenwert beizumessen und alle in Betracht kommenden Anstrengungen zu unternehmen, um den Bezug von Grabsteinen zu vermeiden, die unter menschenrechtswidrigen Arbeitsbedingungen entstanden sind. In diesem Sinne lässt sich dann evtl. auch § 22 Abs. 8 der Friedhofssatzung von Bergisch Gladbach als rechtlich unverbindlicher Programmsatz mit Appellcharakter verstehen. In jeder anderen Auslegung wäre die Bestimmung demgegenüber nach derzeitigem Erkenntnisstand wohl rechtswidrig.
Nachtrag 2.9.2015: Mittlerweile ist das BestG NRW novelliert worden. Es enthält in § 4a eine umfangreiche Regelung über „Grabsteine aus Kinderarbeit“.